Im Zeit-Raum: Roland Düringer

Kabarettist Roland Düringer zu Gast bei Johannes Kaup.

Roland Düringer

(c) Jeff Mangione

Wir sind umgeben von lauter Dingen und Angeboten, die uns versprechen, das Leben angenehmer zu machen, mehr Möglichkeiten zu haben und Zeit zu sparen. Einerseits stimmt das auch. Wohl kaum einer hätte vor 20 Jahren gedacht, dass sich die meisten Zeitgenossen heute ein Leben ohne Mobiltelefon und Internet nicht mehr vorstellen können. Doch andererseits bedeuten ständige Verfügbarkeit und Bereitschaft auch neue Zwänge. Arbeits- und Entscheidungsprozesse haben sich beschleunigt. Berufs- und Privatleben verschwimmen. Die Aufgabe, flexibel zu sein, setzt stetige Mobilität voraus. Die Optionenvielfalt vom Supermarkt übers Fernsehprogramm bis zum Internet-Reisekatalog ist janusköpfig. Freiheit und Selbstbestimmung bietet sie nur jenen, die bereits wissen, was sie (nicht) wollen und (ab)wählen.

Wie ist es eigentlich früher gewesen, zur Zeit unserer Kindheit, als es all das noch nicht gab? Waren die Menschen zufriedener als heute? Fehlte ihnen etwas zum Menschsein? Was ist eigentlich nötig für ein "gutes Leben"? Wann ist es genug?

Der 1963 geborene Kabarettist Roland Düringer macht die Probe aufs Exempel. Er hat einen Selbstversuch gestartet, wie es ist, ohne heute selbstverständlich gewordene technische Hilfsmittel auszukommen. Er will schrittweise ohne Radio, TV, Printmedien, Mobiltelefon, Internet, Supermärkte, Handelsketten und Auto leben. Er hört dabei auf das, was ihm seine innere Stimme sagt. Diesen Selbstversuch dokumentiert er seit Anfang des Jahres mit seinem Video-Tagebuch www.gueltigestimme.at.

Dort schreibt Düringer in seinem Vorwort: "Wir haben neue Werkzeuge entwickelt, Bequemlichkeiten geschaffen und damit vermeintlich viel Zeit gewonnen. Nur: Wo ist die Zeit? Wo haben wir die wertvollen Stunden liegengelassen? In welchen Systemen versickert unsere Zeit und in welchen Netzen wird sie gefangen gehalten? Was kostet mich ein Schritt zurück und was bekomme ich dafür? Ist mein verklärter Blick auf das einfache Leben meiner Kindheit nur ein Trugbild, oder ist der Schritt zurück der erste Schritt nach vorn, um Anlauf zu nehmen und den großen Graben der Verheißungen zu überspringen?"

Wir leben in einer Gesellschaft, die von einer Wirtschaft geprägt ist, die davon lebt, immer neue Bedürfnisse zu erzeugen. Diese Bedürfnisse sind nicht natürlich, sondern künstlich. Die Überflussgesellschaft ist zudem nicht nachhaltig. Das bedeutet: Der ressourcenintensive Lebensstil, auf dem unser Wohlstand fußt, kann nicht als Modell für die ganze Welt dienen – obwohl uns heute im internationalen Vergleich viele dafür beneiden. Die globalen Probleme machen aber nicht an unseren Grenzen Halt. Klimawandel, Zerstörung natürlicher Lebensräume, Hunger und Armut, Flüchtlingsbewegungen, Rückgang der Biodiversität und Ressourcenkonflikte – diese Probleme bedrohen das "gute Leben" in vielen Weltregionen und damit das Überleben der Bevölkerung. Die Industrie- und Schwellenländer übernutzen die Ressourcen der Erde derzeit um den Faktor 1,4. Das geht kurze Zeit, ist aber nicht dauerhaft verlängerbar. Denn der Menschheit steht bekanntlich kein zweiter Planet zur Verfügung.

Werden wir – wie in Goethes Zauberlehrling – die Geister, die wir riefen, nicht wieder los? Unsere Wachstumsgesellschaft zeigt sich gegenwärtig als unfähig aufzuhören: Sie betreibt weiter ihren konsumistischen Lebensstil. Dadurch geraten unsere Ökosphäre außer Balance und immer mehr Menschen an den Rand des seelischen Burn-outs.

"Stopp! – Ich höre auf" ist der Versuch einer ehrlichen Bestandsaufnahme, ob es gelingen kann, die alltäglichen Routinen zu verändern, in denen wir uns eingerichtet haben. Aufhören bedeutet auch "innehalten" und "auf die Stimme zu hören, die uns zu einem Leben des eigenen Wesentlichen" aufruft. Vielleicht entpuppt sich dieser "Gehorsam" als ein Akt der Befreiung aus dem Hamsterrad, in dem wir glauben, täglich laufen zu müssen? Wie lebt es sich also im selbst gewählten Mangelzustand – ohne Handy, ohne E-Mail-Adresse, ohne Internet, Bankomat- und Kreditkarte, Auto u.v.m. – vor allem dann, wenn man in der niederösterreichischen Provinz auf einem Hügel in einem hölzernen Wohnwagen wohnt?

Welche Erkenntnisse lassen sich daraus gewinnen für das, was wir ein erfülltes Leben nennen? Vielleicht entpuppt sich so mancher vermeintliche Verzicht als Gewinn, vielleicht aber stößt man bald an Grenzen? Mit Johannes Kaup begab sich Roland Düringer in einen launigen philosophischen Diskurs über das "gute Leben", seine Möglichkeiten, Sackgassen, Irrwege, Illusionen und den Mehrwert des Loslassens.

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Eine Veranstaltung mit Unterstützung der PRIVAT BANK AG der Raiffeisenlandesbank Oberösterreich.

Service

Im Zeit-Raum: Roland Düringer
Montag, 29. April 2013
18:30 Uhr
Großer Sendesaal

www.gueltigestimme.at